Das Protektorat im liechtensteinischen Stiftungs- und Treuhänderschaftsrecht und seine Auswirkungen auf die Asset Protection
Die von liechtensteinischen Treuhändern ausgearbeiteten Errichtungsdokumente von Stiftungen enthalten häufig Bestimmungen zum sog. Protektorat. Ein Protektorat kann eingerichtet werden, wenn zum Zeitpunkt der Stiftungserrichtung zwischen dem Klienten und Treuhänder noch kein ausreichendes Vertrauensverhältnis besteht. Der Klient möchte Sicherheit darüber haben, dass die durch ihn auf die Stiftung übertragenen und aus seinem persönlichen Vermögen ausgeschiedenen Vermögenswerte für die von ihm vorgesehenen Zwecke verwendet werden. Als Stifter will er sich deshalb Einflussmöglichkeiten auf die Verwaltung und die Verwendung dieser Vermögenswerte vorbehalten. Vor diesem Hintergrund können dem Protektorat bestimmte Rechte zugeordnet werden.
Ausländische Personen, die in Liechtenstein eine Stiftung errichten, verfolgen oftmals zweierlei Interessen: Zum einen wollen sie die auf die Stiftung zu übertragenden und aus ihrem Vermögen auszuscheidenden Vermögenswerte vor dem Zugriff von pflichtteilsberechtigten Nachkommen oder Gläubigern schützen (Asset Protection). Zum anderen soll der liechtensteinische Berufstreuhänder, in dessen Obhut die Stifter ihre Vermögenswerte geben und zu dem sie (noch) kein gefestigtes Vertrauensverhältnis haben, in seinen uneingeschränkten Rechten, über die Vermögenswerte der Stiftung zu verfügen, begrenzt oder zumindest überwacht werden.
Die genannten Interessen widerstreiten, denn eine effektive Asset Protection kann nur funktionieren, wenn der Berufstreuhänder keinen Einflüssen seitens des Errichters der Stiftung unterliegt. Eine Lösung für dieses Dilemma bietet die Implementierung eines Protektors bzw. Protektorates in die Organisation der Stiftung. Das Konzept des Protektors bzw. Protektorates entstammt dem angloamerikanischen Recht zum Trust und wurde Ende des 20. Jahrhunderts durch liechtensteinische Praktiker übernommen. Mehr zum liechtensteinischen Trust finden Sie hier.
Begriff des Protektors bzw. Protektorats
Mit dem Protektor bzw. Protektorat wird eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen unter dem Namen Protektor (eine Person), Protektorat (mehrere Personen) oder einer anderen Bezeichnung wie Beirat oder Advisor in die Stiftung integriert, denen gewisse Rechte zukommen, die neben den Rechten des Stiftungsrates stehen oder diesen übergeordnet sind. Zum Protektor kann der Stifter Vertrauenspersonen des Stifters oder Begünstigte bestellen. Der Stifter ist frei zu bestimmen, welche Rolle den Protektoren zukommen soll. Die Protektoren können eine rein passive Stellung einnehmen und den Stiftungsrat überwachen und/oder als Bindeglied zwischen dem Stiftungsrat und den Begünstigten fungieren. Es ist aber auch möglich, den Protektoren eine aktive Rolle zukommen zu lassen und sie anstelle des Stiftungsrates über die Vornahme von Ausschüttungen an Begünstigte und die Verwaltung der Vermögenswerte der Stiftung bestimmen zu lassen. Ausserdem kann festgelegt werden, dass Protektoren gewisse Stiftungsdokumente abändern können. Die genannten Rechte können auch als Weisungsrechte gegenüber dem Stiftungsrat ausgestaltet werden. Es ist zudem denkbar, dass die Ausführung der Entscheide des Stiftungsrates von der Zustimmung bzw. dem Veto der Protektoren abhängig gemacht wird. Welche Rechte den Protektoren im Einzelfall zukommen, bestimmt der Stifter. Damit der Spagat zwischen einer effektiven Asset Protection und der Implementierung von Protektoren gelingt, müssen gewisse Regeln eingehalten werden.
Konzeptionelle Vergleichbarkeit von Stiftung und Trusts
Ein Protektor bzw. Protektorat wird in der Praxis häufig auch in Trusts integriert. Aufgrund der konzeptionellen Vergleichbarkeit von Stiftung und Trust gelten die nachfolgenden Überlegungen sinngemäss auch für den Protektor bzw. das Protektorat von Trusts.
Der Stifter als Protektor
Es steht dem Stifter offen, sich selbst zum Protektor zu ernennen. Dies kann jedoch aus Gründen eines effektiven Vermögensschutzes gefährlich sein, sofern der Stifter in seiner Funktion als Protektor weiterhin Einfluss auf die von ihm eingebrachten Vermögenswerte ausüben kann. Je nach Umfang der eingeräumten Einflussmöglichkeiten auf die Stiftung kann ein Gericht zur Ansicht gelangen, dass sich an den Eigentumsverhältnissen hinsichtlich der vom Stifter eingebrachten Vermögenswerte nur formell etwas geändert hat, in materieller Hinsicht aber keine Trennung vom persönlichen Vermögen des Stifters stattgefunden hat und die eingebrachten Vermögenswerte weiterhin dem Stifter wirtschaftlich zuzurechnen sind. Das liechtensteinische Höchstgericht judiziert dazu im Stiftungsrecht, dass bei Gesamtbetrachtung der Einflussrechte des Stifters, anfängliche oder spätere Vermögenszuwendungen des Stifters an die Stiftung angefochten werden können, wenn er sich weiterhin Verfügungs- und Verwaltungsgewalt über das Stiftungsvermögen vorbehält und damit kein sog. Vermögensopfer erbringt. Diese Rechtsprechung ist aus Sicht der beiden Autoren auch hinsichtlich Vermögensübertragungen auf den Treuhänder eines Trusts anwendbar. Ist im Einzelfall kein Vermögensopfer erbracht worden, beginnen die gesetzlichen Fristen, innerhalb welcher Vermögensübertragungen auf die Stiftung durch verkürzte pflichtteilsberechtigte Erben oder unbefriedigte Gläubiger des Stifters rückgängig gemacht werden können, nicht zu laufen. Liegt dagegen ein Vermögensopfer vor, können verkürzte pflichtteilsberechtigte Erben lediglich Vermögenszuwendungen, die innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren vor dem Tod des Stifters gemacht wurden, anfechten. Gläubiger können einzig Vermögensübertragungen, die innerhalb eines Jahres vor der gegen den Stifter bewilligten Zwangsvollstreckung erfolgten, rückgängig machen.
Die Bedenken, dass ein Gericht das Vermögensopfer des Stifters verneinen könnte, bestehen, wenn der zum Protektor bestellte Stifter gewisse Rechte ausüben kann. Dazu zählt das (Weisungs-) Recht in Bezug auf die Bestimmung über die Art, Höhe und/oder den Zeitpunkt der Begünstigung, falls der Stifter selbst dem Kreis der Begünstigten angehört. Die Einräumung dieses Rechtes würde ihm erlauben, jederzeit darüber bestimmen zu können, das gesamte Stiftungsvermögen an sich selbst wieder auszuschütten. Vorsicht ist auch bei der Gewährung des (Weisungs-) Rechtes in Bezug auf die Änderung der Dokumente der Stiftung, insbesondere auf die Änderung der Begünstigungsregelung, zu üben. Die Einräumung des Änderungsrechtes würde dem Stifter in seiner Funktion als Protektor ermöglichen, sich zum alleinigen anspruchsberechtigten Begünstigten am Vermögen der Stiftung einzusetzen. Dies käme de facto einem Widerrufsrecht des Stifters gleich. In seiner Funktion als Protektor hätte der Stifter somit weiterhin Zugriff auf die Vermögenswerte der Stiftung.
In Bezug auf den Trust ist aus dem Aspekt der Asset Protection eine weitere Überlegung anzustellen. Im Trustrecht gilt das Verbot der Bindung des Treuhänders an die fortlaufende Weisung des Treugebers. Aus diesem Grund sollte der Treugeber, der sich selber zum Protektor bestellt, darauf verzichten, sich über diesen Umweg Weisungsrechte gegenüber dem Treuhänder vorzubehalten. Andernfalls könnte ein Gericht zum Schluss kommen, dass das Verbot der fortlaufenden Weisungsbindung umgangen worden ist und kein Treuhandverhältnis vorliegt. Die bereits genannten Bedenken bestehen ebenfalls, wenn jede Rechtsausübung des Treuhänders von der vorherigen Zustimmung oder dem nachträglichen Veto des Treugeber-Protektors abhängig gemacht wird.
Begünstigte als Protektoren
Der Stifter hat die Möglichkeit, Begünstigte ins Protektorat zu bestellen. In diesem Fall besteht unter Umständen ein Einfallstor für unbefriedigte Gläubiger der zum Protektor bestellten Begünstigten, um auf die Vermögenswerte der Stiftung zu greifen. Werden Begünstigte zu Protektoren ernannt, sollte aus Gründen des Vermögensschutzes darauf verzichtet werden, diesen das Recht einzuräumen, über die Art, Höhe und/oder den Zeitpunkt der Begünstigung zu bestimmen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass Gläubiger, die gegenüber den ins Protektorat bestellten Begünstigten vollstreckbare Forderungen haben, dieses Recht im Wege der Zwangsvollstreckung oder des Konkurses pfänden. Diese Bedenken ergeben sich aufgrund der Rechtsprechung des österreichischen Höchstgerichtes zur österreichischen Exekutionsordnung, die von Liechtenstein rezipiert wurde und von der die liechtensteinischen Gerichte grundsätzlich nicht abweichen dürfen. Der österreichische Oberste Gerichtshof judiziert, das Recht zur Feststellung von Begünstigten stelle ein der Exekution unterliegendes vermögenswertes Objekt dar. Würde das gepfändete Vermögensrecht selbst noch keinen Vermögenswert repräsentieren, sei ein zweistufiges Verwertungsverfahren vorgesehen. Dabei bestimmten sich die Rechte des betreibenden Gläubigers nach dem Umfang der Rechte des Verpflichteten (betriebenen Schuldners). Das Exekutionsgericht habe demnach dem betreibenden Gläubiger die gerichtliche Ermächtigung zu erteilen, das Recht zur Feststellung von Begünstigten anstelle des Verpflichteten auszuüben, um in der Folge auf einen denkbaren Erlös greifen zu können.
Fazit
Mit der Einsetzung eines Protektors bzw. Protektorates kann der Stifter mittelbar über eine oder mehrere Vertrauenspersonen oder unmittelbar durch die Bestellung seiner Person zum Protektor gewisse Einflussmöglichkeiten auf die Verwaltung der Stiftung sicherstellen. Welche Rechte im Einzelfall dem Protektor zukommen, ist dem Stifter überlassen. Sofern er sich selber zum Protektor bestellt oder Begünstigte zu Protektoren ernennt, muss aus dem Aspekt der Asset Protection beachtet werden, dass gewisse Rechte dem Protektor bzw. Protektorat nicht eingeräumt werden sollten, weil die Gefahr besteht, dass Dritte auf die in die Stiftung eingebrachten Vermögenswerte greifen können.
Selbstredend sind die verschiedenen Einflussmöglichkeiten eines Protektors bzw. Protektorates auf die Verwaltung der Stiftung jeweils auch steuerlich zu analysieren.
Bei sämtlichen Fragestellungen rund um das Protektorat stehen Ihnen Dr. Marco Felder und Dr. Vladimir Good zur Verfügung.
*) Dr. Vladimir Good hat seine Dissertation an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Privaten Universität im Fürstentum Liechtenstein zum Thema «Das Protektorat im liechtensteinischen Stiftungs- und Treuhänderschaftsrecht» verfasst. Die Dissertation wurde im 2018 veröffentlicht und kann hier bezogen werden.