Rechtliche Verantwortung von Verwaltungs- und Stiftungsräten in Liechtenstein
Normative Unterschiede sind nicht zuletzt in einem Umfeld steigender Klagen und Prozesse gegen Verwaltungs- und Stiftungsräte aus rechtlicher Sicht ernst zu nehmen und erfordern in der praktischen Anwendung angemessene Sorgfalt.
Verantwortlichkeitsklagen
Ohne ein angemessenes Grundwissen sowie ein gewisses zeitliches Mindestengagement ist es nicht möglich, alle Aufgaben und Pflichten sorgfältig zu erfassen, zu erfüllen oder kritisch zu überwachen. Nützlich mag in gewisser Hinsicht der Umstand erscheinen, dass in Liechtenstein analog zur Schweiz und anderen Ländern die sogenannte Business Judgement Rule von den liechtensteinischen Gerichten in der Rechtsprechung regelmässig herangezogen wird.
Spätestens wenn sich eine Gesellschaft in eine Krise bewegt oder in Konkurs fällt, steigt das Risiko von Verantwortlichkeitsklagen. Ziel solcher Verantwortlichkeitsklagen ist es, Ausgleich für eingetretene Schäden von Verwaltungsräten zu erstreiten. Zudem soll die zivilrechtliche Verantwortlichkeit den Verwaltungsrat einer Gesellschaft oder den Stiftungsrat einer Stiftung zum pflichtbewussten und sorgfältigen Handeln anhalten.
Verantwortlichkeitsfragen sind aber nicht nur Gegenstand von zivilrechtlichen Auseinandersetzungen, sie können auch im Rahmen von Strafverfahren vorgebracht werden. Ein Straftatbestand setzt dabei regelmässig voraus, dass zivilrechtliche Pflichten verletzt worden sind. Hinzu kommen öffentlich-rechtliche Auseinandersetzungen, die sich insbesondere auf steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Forderungen beziehen.
Die Mehrheit der Verantwortlichkeitsklagen spielt sich nicht im Umfeld von börsennotierten Gesellschaften ab, sondern bei den kleinen und mittleren Gesellschaften. Auffallend ist zudem, dass als Kläger vermehrt Gesellschaften gegenüber ihren früheren Organen auftreten.
Business Judgement Rule
Die Business Judgement Rule beschreibt den Umfang des unternehmerischen Entscheidungsspielraums von Verwaltungs- und Stiftungsräten, der nicht gerichtlich überprüfbar ist. Danach haften Verwaltungsräte dann nicht für negative Folgen unternehmerischer Entscheidungen, wenn die Entscheidung auf Grundlage angemessener Informationen, ohne Berücksichtigung sachfremder Interessen, zum Wohl der Gesellschaft und in gutem Glauben gefasst wurde. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass sich Verwaltungsräte unternehmerischen Entscheidungen entziehen und aus Respekt vor Verantwortlichkeitsansprüchen keine Risiken mehr eingehen.
Für eine korrekte unternehmerische Entscheidung nach der Business Judgement Rule sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
- Formell ordnungsgemässer Beschluss des Verwaltungs- oder Stiftungsrats unter Gewährleistung einer form- und fristgerecht erfolgten Einladung und ausführlichem Protokoll
- Einhaltung der Ausstandregel zur Vermeidung von Interessenkonflikten (Unbefangenheit bzw. Unabhängigkeit)
- Einhaltung von Gesetz und Statuten unter besonderer Berücksichtigung des Gesellschafts- oder Stiftungszwecks
- Einholung aller zumutbaren Informationen und Abwägung der möglichen Alternativen in der Entscheidungsfindung (Sorgfalt und Handeln im guten Glauben)
Die Business Judgement Rule dient dem Verwaltungs- und Stiftungsrat gewissermassen als zuverlässiger Schutzschild bei sorgfältig gefällten Geschäftsentscheiden. Die Business Judgement Rule verliert aber ihre schützende Wirkung bei:
- Betrügerischen bzw. täuschenden Handlungen des Verwaltungs- oder Stiftungsrats
- Verstoss gegen zwingende Gesetze (Widerrechtlichkeit)
- Handlungen, die ausserhalb des Gesellschafts- oder Stiftungszwecks stehen
Der Verwaltungs- oder Stiftungsrat handelt mit der gehörigen Sorgfalt, wenn er:
- Sich bezüglich des zu entscheidenden Geschäfts genügend informiert. Dies erfordert ausreichende Fachkenntnisse oder den Beizug des benötigten Fachwissens durch Fachleute
- Ein angemessenes Verfahren für die Entscheidungsfindung anwendet. Dies bedingt eine ausreichende Anzahl von Verwaltungs- oder Stiftungsratssitzungen, eine angemessene Vorbereitung dieser Sitzungen sowie eine angemessene Diskussion von Lösungsansätzen bzw. eine angemessene Prüfung aller wichtigen Aspekte und Alternativen
- Das Handeln im guten Glauben erfordert, dass der Verwaltungs- oder Stiftungsrat im besten Interesse der Gesellschaft oder Stiftung handelt, kein Rechtsmissbrauch stattfindet und keine offensichtlich unvernünftigen Entscheidungen getroffen werden
Haftungsprävention
Unter Berücksichtigung der generellen und spezifischen Möglichkeiten der Haftungsprävention sowie der Business Judgement Rule im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen lässt sich das Risiko von Verantwortlichkeitsklagen gegenüber Verwaltungs- und Stiftungsräten reduzieren. Voraussetzung aber ist, dass keine Aufgaben und Pflichten vergessen gehen und dadurch unternehmerische Entscheidungen unterlassen, zu spät oder fehlerhaft getroffen werden.