Die Grenzen der Lohnfestsetzung für Firmeninhaber in Liechtenstein
Im Unternehmen angestellte Inhaber verfügen auch in Liechtenstein über das Privileg, ihren Lohn autonom festzusetzen. In der Regel tendieren sie zur Festsetzung eines möglichst tiefen Lohns und einer möglichst hohen Dividende, da auf Kapitalerträgen wie Dividenden grundsätzlich keine Sozialversicherungsbeiträge wie die AHV-IV-FAK geschuldet sind. Die Steuerverwaltung setzt diesbezüglich aber Grenzen.
Im Gegensatz zu gewöhnlichen Arbeitnehmern verfügen im Unternehmen angestellte Inhaber und Mitinhaber über das Privileg, sich ihren Lohn selbst festzusetzen. Sofern es die Situation erlaubt, überwiegt in aller Regel das folgende Muster: tiefer Lohn und hohe Dividende. Seit Jahren prüft die liechtensteinische Steuerverwaltung die Angemessenheit von solchen Löhnen. Die Vorschreibung eines angemessenen Lohns ist daher eine eigentlich wenig beachtete Routineaufgabe im Tagesgeschäft der liechtensteinischen Steuerverwaltung.
Öffentliche Beachtung fand die Thematik in Liechtenstein aber insbesondere in zwei Gerichtsfällen aus den Jahren 2013 und 2018, nachdem es freiberuflich tätigen Ärzten ab 2010 gestattet ist, sich rechtlich in Form einer Ärztegesellschaft zu organisieren und sich damit verbunden die Frage eines angemessenen Lohns unausweichlich stellte.
Hohe Unternehmensgewinne im Fokus
Wer glaubt, dass die Festsetzung eines tiefen Lohns zu unerlaubten Steuerverkürzungen führt, irrt. Ein tiefer Lohn führt notwendigerweise zu einem höheren Unternehmensgewinn, welcher sich in der Folge thesaurieren oder in Form von Dividenden ausschütten lässt. Höhere Unternehmensgewinne führen aus staatlicher Sicht zu höheren Ertragssteuereinnahmen. Ausserdem führen höhere Unternehmensgewinne zu höheren Unternehmensbewertungen und damit verbunden zu einem höheren Sollertrag des Vermögens. Auch dieser Umstand führt aus Sicht der öffentlichen Hand zu einem Mehr an Vermögens- und Erwerbssteuern. Da Dividenden aber zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung nicht direkt der Erwerbssteuer unterstehen, und die Erwerbssteuer höhere Steuertarife im Vergleich zur Ertragssteuer vorsieht, kann sich im Resultat mit einer tiefen Lohnfestsetzung insbesondere bei hohen Unternehmensgewinnen eine Steuerersparnis erzielen lassen.
Bekanntlich beträgt in Liechtenstein der Tarif der Ertragssteuer einheitlich 12.5% und jener der Vermögens- und Erwerbssteuer derzeit je nach Gemeindesteuerzuschlag bis zu 22.4%. Die exakte Höhe der Steuerersparnis lässt sich aber nur im Einzelfall ermitteln, weil für die Beurteilung unter anderem auch das in der Steuererklärung deklarierte Vermögen, der Zivilstand und das gesamte Haushaltseinkommen von Bedeutung sind.
Steuerverwaltung als weisser Ritter
Eher als bei den Steuern wird zumindest in Liechtenstein mit der Festsetzung eines tiefen Lohns eine Abgabenoptimierung insbesondere bei der AHV-IV-FAK angestrebt. Interessanterweise tritt in der Bekämpfung von tiefen Löhnen die Steuerverwaltung gewissermassen als weisser Ritter gegenüber der AHV-IV-FAK in den Vordergrund. So ist es historisch begründet die Steuerverwaltung, die in der Praxis angemessene Löhne festsetzt, und diese bei Bedarf vor den zuständigen Gerichten durchsetzt. Die zugrundeliegende Vorschrift findet sich im Steuergesetz. Ist danach der Inhaber eines Unternehmens in diesem tätig, so hat er einen angemessenen Lohn zu deklarieren. Dabei sind der Umfang der Arbeit, die Stellung und die damit verbundene Verantwortung, die berufliche Fähigkeit, die Grösse des Betriebes sowie die sonstigen Besoldungsverhältnisse im Unternehmen zu berücksichtigen.
Diese Vorschrift ist keine Erfindung des neuen und heute gültigen Steuergesetzes, sondern wurde wortgleich aus dem alten Steuergesetz von 1961 übernommen. Weder die Gesetzesmaterialien 1961, 1970 noch jene von 2010 geben aber weiteren Aufschluss über den Inhalt dieser Vorschrift. Zudem gibt es kein Merkblatt der Steuerverwaltung, welches die betroffenen Unternehmer zur Festsetzung ihres angemessenen Lohns heranziehen können.
Rechtsprechung schafft praxisrelevante Messlatte
Die Festlegung eines angemessenen Lohns orientiert sich in der Praxis stets am Einzelfall. Obschon das Steuergesetz eine einschlägige Vorschrift enthält, erweist sich die Festsetzung eines angemessenen Lohns oftmals als schwierig. Einfacher sind solche Fälle, in denen ein im Unternehmen angestellter Inhaber oder Mitinhaber den gleichen Lohn hat wie ein gewöhnlicher Angestellter ohne Beteiligungsrechte. Dies setzt aber voraus, dass der Angestellte über vergleichbare Kompetenzen, Fachkenntnisse oder Tätigkeits- und Verantwortungsbereiche verfügt. Als wertvolle Hilfestellung kann sich ebenfalls erweisen, einen Lohnvergleich mit einem ähnlichen Angestellten von einem möglichst ähnlichen Konkurrenzunternehmen vorzunehmen.
Eine hoch angesetzte und zugleich praxisrelevante Messlatte zur Beurteilung des Einzelfalls hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in seiner Rechtsprechung geschaffen. Den beiden Entscheidungen des VGH aus den Jahren 2013 und 2018 gingen jeweils Einsprachen von zwei praktizierende Ärzten gegen die Lohnfestsetzung der Steuerverwaltung voraus. Dem Entscheid des VGH aus dem Jahr 2013 liegt ein Arzt zugrunde, der in den Jahren 2005 bis 2008 aus seiner beruflichen Tätigkeit als Arzt in Liechtenstein jeweils deutlich über CHF 1 Million pro Jahr erwirtschaftete. Der Arzt erachtete einen Lohn von brutto CHF 300'000 als angemessen, die Steuerverwaltung hingegen einen Lohn von CHF 650'000. Der VGH stellte sich in seinen Entscheidungsgründen die bedeutungsvolle Frage, welche gehaltsmässigen Bedingungen erfüllt sein müssten, damit der beschwerdeführende Arzt sich bei einem Dritten als Arzt anstellen liesse. Im Wesentlichen war die Antwort des VGH darauf, dass der Arzt bereit ist in ein Anstellungsverhältnis zu treten, wenn er einerseits einen Fixlohn sowie vorgängig einer Dividende in der Höhe von 10 Prozent des im Unternehmen investierten Eigenkapitals an den Inhaber eine Gewinnbeteiligung von mindestens 50 Prozent erhält. Als steuerlich angemessenen Lohn errechnete der VGH auf dieser Grundlage einen Lohn von rund CHF 517'500, welcher immerhin rund CHF 132'500 unter der Lohnfestsetzung der Steuerverwaltung lag. In dem vom beschwerdeführenden Arzt angestrebten ungewöhnlich tiefen Lohn sah der VGH sogar eine Steuerumgehung. Zudem bestätigte der Staatsgerichtshof im 2014, dass der VGH den steuerlich angemessenen Lohn nicht willkürlich bestimmt hat.
Berechnungsschema eines steuerlich angemessenen Lohns gemäss VGH
Diesem Berechnungsschema lassen sich zentrale praxisrelevante Feststellungen in der Ermittlung eines angemessenen Lohns entnehmen:
- Das Berechnungsschema wurde vom VGH im Kontext der Umwandlung von zwei Arztpraxen (Einzelunternehmen) in zwei Ärztegesellschaften (Aktiengesellschaften) entwickelt und bestätigt. Dieses wird nunmehr von der Steuerverwaltung branchenübergreifend insbesondere bei kleineren Unternehmen mit einem hohen Anteil an Arbeitsleistung eingesetzt
- Der Ermittlung eines angemessenen Lohns geht die Frage voraus, welche gehaltsmässigen Bedingungen erfüllt sein müssten, damit sich ein Inhaber oder Mitinhaber eines Unternehmens bei einem Dritten anstellen liesse
- Ein aus steuerlicher Sicht angemessener Lohn setzt sich aus einem Fixlohn und einer Gewinnbeteiligung zusammen
- Aus Sicht eines im Unternehmen angestellten Inhabers oder Mitinhabers führt das Berechnungsschema bei der Festsetzung eines möglichst tiefen Fixlohns zu vorteilhafteren Ergebnissen. Der Nachweis der Angemessenheit eines tieferen Fixlohns kann vom Steuerpflichtigen im Einzelfall erbracht werden
- Eine vorgängige Dividende auf dem Eigenkapital von 10 Prozent für den Inhaber gilt als Safe Haven und somit als unstrittig. Der Nachweis der Angemessenheit einer höheren Dividende auf dem Eigenkapital kann vom Steuerpflichtigen im Einzelfall erbracht werden
- Eine Gewinnbeteiligung von 50 Prozent gilt als Safe Haven und somit als unstrittig. Der Nachweis der Angemessenheit einer tieferen Gewinnbeteiligung kann vom Steuerpflichtigen im Einzelfall erbracht werden
- Das Berechnungsschema dürfte sich für kleinere Unternehmen in der Festsetzung eines angemessenen Lohns als hoch angesetzte Messlatte erweisen. So wird im Zahlenbeispiel gemäss Berechnungsschema der vom Inhaber verbuchte und bezogene Lohn von CHF 195.000 auf einen steuerlich angemessenen Lohn von nicht weniger als CHF 515.000 korrigiert
- Insbesondere bei mittleren und grösseren Unternehmen müssen in der Festsetzung eines angemessenen Lohns zusätzliche Kriterien wie etwa der Umfang der Arbeit, die Grösse des Betriebs oder die sonstigen Besoldungsverhältnisse im Betrieb Berücksichtigung finden. Ansonsten führt das Berechnungsschema regelmässig zu erheblichen Fehleinschätzungen
- Ungeachtet der Unternehmensgrösse erfordert die Berücksichtigung zusätzlicher Kriterien, dass deren Einfluss auf die steuerlich korrekte Festsetzung eines angemessenen Lohns vom Steuerpflichtigen begründet dargestellt werden
- Ein angemessener Lohn im Sinne des Berechnungsschemas ist grundsätzlich jährlich den aktuellen Verhältnissen anzupassen. In der Regel dürfte sich dabei lediglich die Höhe der Gewinnbeteiligung in absoluten Zahlen ändern
- Die Steuerverwaltung dürfte wie schon in der Vergangenheit nur bei einem ungewöhnlich tiefen Lohn bzw. bei einem grossen Missverhältnis zwischen Lohn und Unternehmensgewinn Beanstandungen geltend machen
- Im Zweifelsfalle lohnt es sich, die Steuerverwaltung oder einen Steuerberater in der Festsetzung eines angemessenen Lohns rechtzeitig einzubinden
Die Anwendbarkeit des in Frage stehenden Berechnungsschemas wurde vom VGH in seinem letztjährigen Entscheid bestätigt. Danach setzte die Steuerverwaltung den angemessenen Lohn einer Ärztin aufgrund der ihr vorliegenden Jahresrechnungen der Steuerjahre 2009, 2010 und 2011 mit brutto CHF 589'600 fest. Ungeachtet dessen bezog die Ärztin den in ihrer Steuererklärung für das Steuerjahr 2012 deklarierten Lohn von lediglich CHF 195'000, dies bei einem Umsatz ihrer Ärztegesellschaft von knapp CHF 3 Millionen sowie einem Reingewinn von CHF 772'592. Der VGH bestätigte in seinem Entscheid die Lohnfestsetzung der Steuerverwaltung und sah in dem zwischen der Ärztin und ihrem Unternehmen vereinbarten, ungewöhnlich tiefen Lohn wie schon in seinem Entscheid von 2013 eine Steuerumgehung.
Künftige Herausforderungen für die Lohnfestsetzung in der Praxis
Die künftigen praktischen Herausforderungen in der Festsetzung eines angemessenen Lohns dürften sich vor diesem Hintergrund verstärkt aus dem Berechnungsschema des VGH ergeben. Was die Festsetzung des Fixlohns betrifft, dürfte sich die Steuerverwaltung nach Möglichkeit regelmässig auf die vom VGH für seine Zwecke ermittelten CHF 240.000 abstützen. Abweichungen von diesem Wert können beispielsweise unter differenzierter Zuhilfenahme der Lohnstatistik des Amts für Volkswirtschaft sowie anderen Statistiken und Lohnrechnern begründet werden. Auch der Umgang mit den übrigen Kriterien und Stellschrauben wie die Höhe der Dividende auf dem Eigenkapital oder die Höhe der Gewinnbeteiligung werden die betroffenen Steuerpflichtigen und die Steuerverwaltung beschäftigen.
Vernachlässigter Aspekt des Versicherungsschutzes
Ein Aspekt, der in der Diskussion rund um die Festsetzung eines angemessenen Lohns gerne vernachlässigt wird, betrifft den Versicherungsschutz. Je tiefer ein Lohn festgesetzt wird, desto weniger Sozialversicherungsbeiträge werden entrichtet, desto grösser aber ist beim Eintritt eines Versicherungsfalles auch die Gefahr, entsprechend tiefere Leistungsansprüche zu erhalten. Dies kann beispielsweise im Falle von Krankheit oder Unfall aber auch in der Höhe von Altersrenten gravierende Auswirkungen nach sich ziehen. Insofern lohnt es sich im Falle einer Abgabenoptimierung stets auch einen Versicherungsexperten mit einzubeziehen.
Fazit
Die Abgrenzung eines angemessenen Lohns von nicht beitragspflichtigen Dividenden kann im Einzelfall nach wie vor zu erheblichen Problemen führen. Die vom VGH ins Leben gerufene Berechnungsgrundlage zur Festsetzung eines angemessenen Lohns stellt ungeachtet gewisser Unzulänglichkeiten insbesondere für kleinere Unternehmen mit einem hohen Anteil an Arbeitsleistung eine hoch angesetzte und praxisrelevante Messlatte dar. Wird der angemessene Lohn danach festgesetzt, besteht nur geringe Gefahr, dass die Steuerverwaltung diesen beanstandet. Dies selbst dann, wenn aufgrund der Eigenart des Unternehmens oder anderen Kriterien eine verhältnismässig höhere Dividende zur Auszahlung gelangt.
In Liechtenstein ist die Höhe von steuerlich angemessenen Löhnen in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund von Praxis und Rechtsprechung spürbar gestiegen. Entsprechend dürften der AHV-IV-FAK und anderen Sozialversicherungszweigen aus Sicht der öffentlichen Hand keine Beitragszahlungen in ungerechtfertigter Weise entgehen.