«Trump wird BEPS aufweichen»
Die ganze Welt spricht derzeit von US-Präsident Donald Trump. Die aktuellen geopolitischen Veränderungen wirken sich auch auf das Steuerwesen aus. Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen Liechtensteinischer Unternehmen sind künftig einmal mehr stark gefordert.
Mit Marco Felder sprach Dorothea Wurmbrand Stuppach von Wirschaftregional.
Herr Felder, wird die neu gewählte Regierung unter Führung von Donald Trump auf das Steuerwesen einwirken?
Marco Felder: Ja, davon ist auszugehen. Die letzte amerikanische Steuerreform erfolgte vor dreissig Jahren unter Ronald Reagan. Es könnte Donald Trump nun tatsächlich gelingen, die nächste grundlegende Reform des amerikanischen Steuerwesens durchzusetzen. Die republikanische Partei besetzt beide Kammern des Kongresses und damit alle Schalthebel der Macht. Zudem bieten die republikanischen Kongressmitglieder Donald Trump in steuerlichen und regulatorischen Fragen derzeit die Hand.
Was will Trump mit der Reform erreichen?
Ziele der von Donald Trump geplanten Steuerreform sind die steuerliche Entlastung des amerikanischen Mittelstandes, die Abschaffung der Erbschaftssteuer, die Vereinfachung des Steuergesetzes und als Folge davon eine Stärkung der amerikanischen Wirtschaft. Unabhängig davon haben einflussreiche republikanische Kongressabgeordnete eine absatzorientierte Cashflow-Steuer vorgeschlagen. Vereinfacht geht es darum, nicht den Unternehmensgewinn, sondern den Absatz in den USA zu besteuern. Welche Steuerreformvorlage oder allenfalls eine Kombination davon sich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Ist davon auszugehen, dass die Unternehmenssteuern in den USA sinken?
Donald Trump will noch vor Ende dieses Jahres die Steuern in den USA senken. In seinen Steuerreformplänen ist vorgesehen, den Spitzensteuersatz für Unternehmen von 35 auf 15 Prozent zu senken. Mit einer so tiefen Unternehmenssteuerbelastung würde die USA im internationalen Vergleich einen absoluten Spitzenplatz einnehmen. Der alternative Steuerreformplan einer Cashflow-Steuer würde wie eine Importsteuer von 20 Prozent wirken.
Es wird darüber gesprochen, Donald Trump könnte den automatischen Informationsaustausch unter FATCA rückgängig machen?
Es sind vorwiegend ausländische Stimmen, wie ausländische Banken, die eine Abschaffung von FATCA fordern. Die Kraft solcher Stimmen wird aber kaum ausreichen, eine ernsthafte innerstaatliche Politdebatte zur Abschaffung von FATCA auszulösen. Die amerikanische Regierung hat in den letzten Jahren massive Anstrengungen unternommen, damit US-Steuerzahler ihre ausländischen Einkommens- und Vermögenswerte deklarieren. An FATCA dürfte Donald Trump daher weiter festhalten.
Wie steht Donald Trump zum OECD-Projekt gegen die Aushöhlung der Steuerbasis und die Gewinnverlagerung (BEPS)?
Meine Einschätzung ist, dass BEPS für Donald Trump nicht von nennenswertem Interesse ist. Aufgrund seiner politischen Interessenlage dürfte Donald Trump dennoch gewisse Schwerpunkte des BEPS-Projekts weiter aufweichen. Trump steht für eine Stärkung des Nationalstaats und somit für eine bedeutende Strömung der Gegenwart. Das BEPS-Projekt hingegen zielt – fernab einer basisdemokratischen Legitimierung – auf Kohärenz und damit die Harmonisierung der nationalen Steuersysteme ab. Darin ist eine Schwächung des Nationalstaats und somit ein gewisser Widerspruch zur Interessenlage von Donald Trump erkennbar. Ein multilaterales Abkommen zur rascheren Umsetzung des BEPS-Projekts dürfte Donald Trump nicht zuletzt vor diesem Hintergrund verwerfen. Hingegen dürften Donald Trump aufgrund seiner Interessenlage andere Schwerpunkte des BEPS-Projekts nützlich sein. Gewinne dort zu besteuern, wo sich die wirtschaftliche Substanz befindet und die Wertschöpfung erfolgt, entspricht wohl auch seiner Überzeugung.
Wie gross wiegen der geopolitische Faktor «harter Brexit» sowie die Ankündigung von Theresa May betreffend niedriger Unternehmenssteuern in Grossbritannien?
Der geopolitische Faktor Brexit weitet sich bereits erkennbar auf das Steuerwesen aus. Die britische Premierministerin Theresa May hat angekündigt, die Unternehmenssteuern in Grossbritannien auf das tiefste Niveau unter den G20-Ländern zu senken. Mit der Senkung der Unternehmenssteuer soll eine wirtschaftliche Schwächung Grossbritanniens nach dem EU-Austritt verhindert werden. Auch der britische Finanzminister hat mit einem harten Steuerwettbewerb gedroht, sollte Grossbritannien von der EU keinen angemessenen Anschluss an den Binnenmarkt erhalten. Wie ernst es Theresa May mit ihrer Ankündigung ist, bleibt abzuwarten. Sie begibt sich jedenfalls auf eine Linie mit Donald Trump, wenn es darum geht, die Unternehmenssteuern zu senken und die Wirtschaft damit zu stärken.
Wie wirken sich Donald Trump und der harte Brexit auf das Steuerwesen innerhalb der EU aus?
Ich denke, stärker als man es allgemein vermutet. Bereits vor der Wahl von Donald Trump befand sich die EU in einer misslichen Lage. Nun muss sich die EU nach dem Brexit mit weiteren Szenarien der Desintegration beschäftigen. In den EU-Mitgliedstaaten Holland und Frankreich könnten in den anstehenden Parlamentswahlen europhobe Kräfte die Macht an sich ziehen. Holland wählt bereits im März 2017, Frankreich im Mai 2017. Ein Austritt eines Gründungsmitglieds wie die Niederlande oder Frankreich wäre für die EU nicht zu verschmerzen. Zudem dürften sich in den ebenfalls bald anstehenden Parlamentswahlen anderer EU-Mitgliedstaaten – darunter Deutschland, Italien oder Österreich – euroskeptische Parteien weiter ausbreiten. Anstatt auf jede Krise mit mehr Europa zu reagieren, müsste man meinen, dass die EU eine Konsolidierung anstrebt und sich auf die Erfüllung ihrer wichtigen Kernaufgaben ausrichtet. Mit der Ausrichtung auf ihre Kernaufgaben liesse sich die Ausbreitung euroskeptischer Parteien eventuell eindämmen. Das Unheil dabei: Die Überlebensfähigkeit der EU dürfte sich nur unter vollständiger Integration sichern lassen. Aus meiner Sicht erfordert eine vollständige Integration auch die Umgestaltung der Währungsunion in eine Transferunion. Eine solche Umgestaltung der Währungsunion erscheint im aktuellen euroskeptischen Politumfeld aber komplett unrealistisch. Das Steuerwesen innerhalb der EU dürfte vor diesem Hintergrund an Harmonisierungsfähigkeit verlieren und entsprechend wieder an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Der Startschuss dazu fällt spätestens mit der Senkung der Unternehmenssteuern seitens der USA und Grossbritannien und somit zwei der wichtigsten Wirtschaftsstandorte in der westlichen Welt. Zudem würde die Stellung Grossbritanniens im Steuerwettbewerb mit der EU und ihren Mitgliedsländern durch den angekündigten Abschluss eines Freihandelsabkommen zwischen Grossbritannien und den USA erheblich gestärkt.
Wie sehen Sie den negativen Abstimmungsverlauf betreffend die schweizerische Unternehmenssteuerreform III?
Was erstaunt ist, dass der Abstimmungsverlauf erheblich durch fiskalische Überlegungen beeinflusst wurde. Die Auswirkungen einer Steuerreform auf die Steuereinnahmen sind gewiss nicht immer genau erfassbar, das Kind wurde aber ohne Not mit dem Bad ausgeschüttet. Verlierer sind im Zweifelsfalle nicht die Aktionäre der Unternehmen, und erst recht nicht die Aktionäre grosser Unternehmen, sondern ausgerechnet der Mittelstand. Die entstehenden Unsicherheiten dürften den Wirtschaftsstandort vorerst beeinträchtigen. Die EU arbeitet derzeit an einer neuen schwarzen Liste betreffend nicht kooperative Drittstaaten im Steuerbereich. Infolge der neuen Beziehungsebene zu den USA stellt sich Grossbritannien gegen die schwarze Liste quer. Das Risiko eines Schweizer Listings dürfte aufgrund der vorläufig gescheiterten Steuerreform dennoch ansteigen. Insbesondere wenn es nicht gelingt, die kritisierten Steuerprivilegien mit einer revidierten Vorlage und frei von weiteren Verzögerungen abzuschaffen. Zudem steht es anderen Ländern jederzeit frei, eigene steuerliche Vergeltungsmassnahmen gegen die Schweiz zu ergreifen. Zumindest hat die OECD Verständnis für den negativen Abstimmungsverlauf signalisiert und erklärt, dass sie derzeit im Gegensatz zur EU keine schwarzen Listen gegen Steueroasen plant. Der Schweizer Volkswille wird hoffentlich auch von der EU und ihren Mitgliedsländern respektiert. Die zunehmende Vorherrschaft euroskeptischer Parteien in Europa dürfte der Schweiz insofern dienlich sein.
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der aktuellen geopolitischen Veränderungen auf das liechtensteinische Steuerwesen?
Liechtenstein ist auf freie Märkte und freien Handel existenziell angewiesen und kann weder auf Globalisierung noch Protektionismus Einfluss nehmen. Hingegen ist Liechtenstein in der Lage, die geopolitischen Veränderungen zu erfassen, zu verstehen und sich intelligent danach auszurichten. Der Steuerwettbewerb ist wie bereits dargestellt wieder im Aufschwung begriffen. Zugleich zeichnet sich ab, dass die Anzahl an wettbewerbsorientierten Tiefsteuerländern – darunter die USA und Grossbritannien – weiter zunimmt. Der komparative Vorteil niedriger Unternehmenssteuern dürfte sich für Liechtenstein daher relativieren, was die Notwendigkeit international anerkannter Steuerregimes erklärt. Im liechtensteinischen Steuerwesen finden sich solche Steuerregimes für Unternehmen beispielsweise in der privilegierten Besteuerung von Dividenden und Zinsen. Wichtiger als Globalisierung und Protektionismus ist für Liechtenstein aber die Innovations- und Lernfähigkeit seiner Gesellschaft und Wirtschaft – auf welche sich jederzeit Einfluss nehmen lässt. Die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft steht in enger Abhängigkeit zu Forschung und Entwicklung, Wissensvorsprung sowie geistigem Eigentum. In diesem Bereich liegt nach wie vor die wichtigste Stellschraube im liechtensteinischen Steuerwesen. Die Regierung will sich mit dieser Stellschraube in nächster Zeit wieder genauer auseinandersetzen.
Was bedeuten die erwähnten geopolitischen Entwicklungen für die Arbeit von Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen liechtensteinischer Unternehmen?
Die USA bildet zusammen mit Europa und zunehmend auch Asien einen wichtigen Absatzmarkt vieler liechtensteinischer Unternehmen. Donald Trump verunsichert mit seiner protektionistischen Machtdemonstration nicht nur liechtensteinische Unternehmen. So sollen zusätzliche absatzorientiere Abgaben für alle Länder erhoben werden, die mehr Waren an die USA verkaufen als sie beziehen. Dazu zählen Länder wie China, Deutschland, die Schweiz – und auch Liechtenstein. Liechtenstein verkaufte letztes Jahr Waren für rund 470 Millionen Franken in die USA und bezog Waren für lediglich rund 75 Millionen Franken. Liechtensteinische Unternehmen sehen sich vor diesem Hintergrund eventuell der Forderung ausgesetzt, Waren für den amerikanischen Markt verstärkt in den USA zu produzieren. Ob tatsächlich Anlass besteht, neue Produktionsstrukturen in den USA aufzubauen, haben Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen von liechtensteinischen Industrieunternehmen derzeit abzuwägen. Sie sehen sich ansonsten dem Risiko ausgesetzt, zusätzliche Abgaben auf ihren Warenexporten in die USA tragen zu müssen. Kleinere Industrie- und Gewerbeunternehmen dürften sich aufgrund ihrer weniger international verankerten Wertschöpfungskette und ihrer begrenzten Handlungsalternativen im Nachteil befinden. Zugleich gilt es für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen von liechtensteinischen Finanzunternehmen abzuwägen, inwieweit sich aus den geopolitischen Veränderungen und den damit einhergehenden Unsicherheiten wirtschaftlicher Nutzen generieren lässt.